Wenn es ein Indiz dafür gibt, dass wir im Kreis Düren in Hülle und Fülle leben, dann ist das der neue Trend zur Leere. Auf einmal sind unsere Wohnlandschaften, die mit Behaglichkeit zu füllen wir uns jahrelang so viel Mühe gemacht haben, freigegeben zum großen Aufräumen.
Würden die Menschen in unserer Region in Armut darben, hätte Marie Kondo kein Betätigungsfeld. Die junge Japanerin gilt als Profi-Aufräumerin. Ihr Konzept des „Magic Cleaning“ macht sie zur Mary Poppins aller Haushalte, in denen das Chaos regiert. Oder das, was manche als Chaos empfinden. Marie Kondo ist zum Medienstar aufgestiegen und findet rasch Nachfolgerinnen. Schon präsentiert der WDR eine Dame namens Unmani Kuchinsky, auch sie Aufräumerin.
Was steckt dahinter? Haben wir uns nicht bis vor Kurzem wohlgefühlt inmitten der Zeitungs- und Bücherstapel? Der leicht verbogenen alten Stehlampen und gerahmten Schwarzweiß-Fotos? War uns der staubfängerische Nippes auf Kaminsims und Fensterbank nicht ans Herz gewachsen? Wohnräume, zum Bersten gefüllt, galten als Ausweis gelebten Lebens, voller Erinnerungen, und sie dienten nebenbei auch als Zukunftsreservoir für vorläufig noch ungenutzte Ideen.
Und nun ist alles anders geworden. Der horror vacui, der Schrecken vor der Leere, hat seinen Stachel verloren. Aufgeräumt muss es sein, Leere ist die neue Fülle. Mehr Luft zum Atmen! Freier Gedankenfluss! Wo der Überfluss überflüssig geworden ist, regiert Enthaltsamkeit, die fast schon in Kargheit übergeht. Das Wohnideal unserer Tage lautet:
- lockere und reduzierte Einrichtung, so wenig Möbel und Deko wie möglich;
- möglichst keine Dinge herumliegen lassen. Das mag im Alltag nicht einfach sein, zumal in einem Haushalt mit Kindern, aber es gibt Mittel und Maßnahmen, die dabei helfen;
- zum Beispiel einen Beutel nehmen, jeden Tag einmal durch die Wohnung gehen und fünf Kleinigkeiten einsammeln, deren man sich ohne Gewissensbisse entledigen k
- den Boden von jeglichem Krimskrams befreien, Gegenstände und Spielsachen irgendwo außer Sichtweite auf einen Haufen legen und sich der neuen Klarheit der Zimmer erfreuen;
- den Raum hinter Türen von Mänteln, Kleidern, Tüten und versteckten Staubsaugern befreien. Türen sind keine zusätzliche Garderobe, sondern dazu da, ungehindert geöffnet zu werden und am besten auch geöffnet zu bleiben.
„Ein Haus wird gebaut, aber ein Zuhause geformt“, schreibt der indische Sufi-Meister Hazrat Inayat Khan. Deshalb macht Leere allein auch noch keine Traumwohnung. Licht kommt als wesentliches Element hinzu, natürliches wie künstliches. Natürliches Licht bekommt man, indem man die Fenster nicht zu sehr verhängt. In Sachen Beleuchtung gilt die Faustregel: eine Hauptbeleuchtung (meist Decke) und mindestens drei andere Lichtquellen.
Außerdem ruft gerade das aufgeräumte Zimmer nach einem Farbkonzept. Wenn man in dieser Hinsicht eine Regel aufstellen kann, dann diese: Nicht übertreiben! Je besser es gelingt, die wilde Pracht der Farben zu zähmen, desto harmonischer und wohnlicher wirkt das Haus.