Das Wort Heimat hat einen neuen Sound gewonnen, einen schöneren Sound als je zuvor. Der süßliche Geruch von Kitsch, der ihn eine Zeit lang umwehte, ist verflogen und einem dezent modernen Chic gewichen. Auf wunderbare Weise hat sich der Begriff von der Heimat erneuert, „renaturiert“, möchte man sagen. Unter den Lieblingsorten der Deutschen steht Heimat ganz oben.
Natürlich ist die Heimat des fortgeschrittenen 21. Jahrhunderts nicht mehr mit der Heimat von, sagen wir, 1955 zu vergleichen. Zu jener Zeit wurde einem die Liebe zur Heimat in die Wiege gelegt, man wuchs mit ihr auf. Heimat wurde genauso wenig hinterfragt wie die Treue zum örtlichen Fußballverein, dem Heimatverein, egal in welcher Liga er gerade krebste. Heimatliebe gehörte zur inneren, sprich seelischen Ausstattung der Menschen, so wie die nächstgelegene Sparkassen-Filiale zur festen äußeren Ausstattung gehörte.
Seitdem hat sich viel verändert. Die Orte, an denen man lebt, sind in vielen Familien dem Diktat des Arbeitsplatzes unterworfen. Mehr Menschen als je zuvor verlassen ihre Heimat, sie ziehen um, pendeln, studieren in der Ferne. Deutschland erwies sich als zu groß für einen Heimatbegriff im alten Sinne, erst recht die globalisierte Welt. In all dem Kommen und Gehen einer immer hastigeren Zeit erlebte die Heimat einen sozialen Abstieg. Auf einmal schien sie von gestern zu sein. Allzu flache Heimatfilme, fade Schlagershows im Fernsehen und allzu starr praktizierte Traditionen mögen dazu beigetragen haben.
Nach wie vor ziehen viele Leute vom Land in die Stadt, nicht unbedingt, weil die Stadt ihr neuer Lieblingsort wäre, sondern weil dort Arbeit und Verdienst warten. Und auch, weil in der Stadt mehr los ist und man teilhaben möchte am echten Leben. Trotzdem bekommen sie leuchtende Augen, wenn von der „Heimat“ die Rede ist.
Umgekehrt haben viele Familien der Stadt den Rücken gekehrt und sind aufs Land gezogen. Weil sie dort das zu finden hoffen, was sie sich ihrerseits unter echtem Leben vorstellen: Felder und Wälder, freundliche Nachbarn, unkomplizierte Kontakte, mit einem Wort: Heimat.
Der Kreis Düren im Übergangsbereich zwischen Land und Stadt schneidet beim Wechselspiel von Zu- und Wegzug positiv ab. Einer Studie des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung von 2019 zufolge verzeichnet der Kreis bei den 18- bis 29-Jährigen einen Bevölkerungsgewinn von 14,3 Prozent. Darunter mögen viele Studenten sein, die nach Aachen oder Köln pendeln. Bei den 30- bis 49-Jährigen aber macht der Dürener Gewinn satte 25,1 Prozent aus, und dabei handelt es sich um eine Altersstufe, die sich niederlässt, die ein Haus sucht, ein Haus baut, die, in einem Wort: Heimat anstrebt.
Nun entsteht Heimat – die neue Heimat des 21.Jahrhunderts – nicht mehr von allein. Sie will geschaffen werden. Über gute Nachbarschaft und Zusammenhalt. Über Integration und Teilhabe, Empathie und Großzügigkeit. Über das gemeinsame Bauen von Spiel- oder Sportplätzen, zum Beispiel. Sich gemeinsam für kommunale Anliegen stark machen!
Beim Schleifen, Grundieren und Streichen werden Gegensätze leicht zur Nebensache. Stattdessen bilden sie den Quell gegenseitiger Achtung, vielleicht sogar Freundschaft. Und wo Freundschaft ist, hat Heimat Zukunft.