Multimedia ist, wenn ich abends nach Hause komme und mir die Fernbedienung schnappe: ein Knopfdruck – und die Jalousien schnurren abwärts, mein Rotwein-Portionierer füllt von sich aus ein erstes Glas, und aus dem Hintergrund erklingen leise die sehnsuchtsvollen Auftakte von Tschaikowskys Piano-Trio in A-Moll. Den Roman, den ich dazu lesen werde, schlage ich eigenhändig auf; die Seite, auf der ich meine Lektüre gestern beendete, ist mir noch in Erinnerung. Andernfalls hätte ich sicher auch Alexa fragen können.
Multimedia ist, wenn ich an einem kalten, dunklen Wintermorgen in die Küche tappe, dem Kaffeekocher zurufe, er möge was Kräftiges brauen, der Toaster zu toasten beginnt, der Kühlschrank die Einkaufsliste für den Tag ausdruckt und Alexa fragt, ob sie mir schon mal die Termine des Tages vorlesen soll.
Multimedia ist das nächste Ding nach Zauberei, ach was, längst gelingen dank Multimedia Kabinettstückchen, die jeden Zauberer neidisch machen würden. Wenn auf ein Wort hin das Wasser in die Wanne läuft und exakt zum richtigen Zeitpunkt mit Lieblingstemperatur einstiegsbereit ist, dann sage ich mir: Das hätte kein Zauberer hingekriegt. Multimedia schon.
Früher ging man zur Druckerei, um etwas drucken zu lassen. Man ging ins Studio, um Musik oder einen Film aufzunehmen. Man ging zu einer Agentur, um etwas gestalten zu lassen, und vielleicht ging man auch schon zu diesen neuen Internet-Dienstleistern, um sich eine Homepage erstellen zu lassen.
Das war, obwohl längst von Multimedia die Rede war, noch eine Zeit der Einzelmedia. Zur Vollendung eines Produkts trugen viele bei.
Heute können „Brainworker“, also diejenigen, die in irgendeiner Weise Informationen aufbereiten, ganz schön in Stress geraten: Sie nehmen nicht mehr nur auf, was sie ihren Rechnern entlocken können, sie sind nicht mehr nur Zuschauer, Leser, Hörer, also Empfänger von Informationen, sie werden dank ausgeklügelter Workstations selbst zum Sender, zum Verleger und Redakteur, in einem Wort, zum Produzenten. Einer für alles, alles für einen.
Die multimediale Produktion verlagert sich vom Spezialisten zum Anwender mit Allrounder-Talent. Die Technik macht’s möglich. Die Zukunft wird von Ad-hoc- und On-Demand-Produktionen geprägt werden. Das ist das Erstellen einer Information (sei es Dokumentation, Animation oder Musikstück), die einfach und ohne Aufwand mal eben auf die Schnelle erstellt wird.
Diese Information kann per Computer versendet werden und über das Smartphone empfangen werden, um sozusagen im Handumdrehen in ein Seminar, eine politische Debatte oder eine Verkaufsverhandlung eingebracht zu werden.
Eine schöne neue Welt also? Schon wieder eine? Die Entwicklung rast den Strukturen davon, was wiederum die Entwicklung zumindest ein wenig abbremsen könnte. Wo etwa gibt es Lehrer (auch: Berufsschullehrer), die über die Ausstattung verfügen, das, was theoretisch bereits möglich ist, in der Praxis zu lehren?
Vielleicht, und das wäre nicht das erste Mal, sind die Schüler in Sachen Multimedia schneller als die Lehrer. Letztere können dann, wenn sie gar nicht mehr mitkommen, Alexa fragen.