Eine kleine Zumutung ist allein schon das Wort: „Tiny House“ – das Winzhaus oder besser: Zwergenhaus. Was soll man denn darunter verstehen! Zumal nicht die Bewohner gemeint sind, sondern das Haus selbst. Ist es größer als ein großer Wohnwagen? Je nachdem. Größer als die überall aufkommenden schmucklosen Container-Behausungen? Je nachdem. Das Charakteristische am Tiny House besteht darin, dass es vielseitig ist. Fast so vielseitig wie richtige Häuser, jedenfalls solche, wie man sie gewöhnlich als Häuser bezeichnet.
Das Tiny House misst zwölf Quadratmeter oder auch 24. In Deutschland werden neuerdings auch Tiny Houses angeboten, die man als komfortables Einfamilienhaus bezeichnen könnte, mit deutlich unterschiedenen Wohn-, Arbeits- und Schlaftrakten, die Preise klettern dann auch schnell auf 50 000 Euro und mehr.
Ohnehin steckt, wie sich die Zeitschrift „Business Insider“ wundert, die Tiny-House-Movement im Wohnwagen-Land Deutschland noch in den Kinderschuhen. Während man in den USA mittlerweile schon über amazon ein Tiny House bestellen kann, muss ein Tiny-House-Interessent hierzulande oft noch selbst Hand anlegen und mancherlei bürokratische Hürden überwinden, um seinen Traum vom Minihaus zu verwirklichen.
Doch das ändert sich. Mehr und mehr Hersteller wollen den Markt mit schlüsselfertigen Tiny Houses erobern. Mit einem Trailer als Zugabe. Damit das Haus samt Bewohner unabhängig vom Standort bleibt. Nur, der Preis pro Quadratmeter liegt einstweilen noch auf Wolke sieben.
Wie viel kostet es wirklich, ein Tiny House in Deutschland zu bauen? Und lohnt es sich, das meiste selbst zu machen? Madeleine Krenzlin bietet Workshops für Tiny-House-Interessierte an und nennt zwei Zahlen: mindestens 30 000 Euro muss für ein sechs Meter langes Tiny House auf einem PKW-Anhänger hingeblättert werden, wenn man alles Weitere selbst macht, darin enthalten die schätzungsweise 2 000 Arbeitsstunden, die in das Haus zu investieren sind, sofern man kein Handwerker mit jahrzehntelanger Routine ist.
Die zweite Zahl: Wer ein schlüsselfertiges, einfaches Tiny House mit sechs Metern Länge haben möchte, muss mit mindestens 60 000 Euro rechnen.
Laut Krenzlin ist die Zahl der Interessenten für schlüsselfertige Tiny Houses bei ihren Kunden ähnlich groß wie die fürs Selberbauen. Sie geht aber davon aus, dass schlüsselfertige Tiny Houses irgendwann beliebter werden, wenn die Hersteller in höherer Stückzahl produzieren und die Kosten senken können.
Viele träumen auch deshalb von einem Tiny House, weil sie sich Unabhängigkeit versprechen. Nicht nur finanzielle Unabhängigkeit, weil die Lebenskosten in einem kleinen Haus geringer sind. Auch der Wunsch nach Autarkie, auf ein eigenes Energie- und Wassersystem, treibt Menschen an, ein Tiny House zu bauen. Und um den ökologischen Fußabdruck kleiner zu halten, wie man heute so gern sagt. Doch auch Autarkie hat ihren Preis. Ohne entsprechende Haustechnik ist sie kaum machbar.
Wer die Preise von Tiny Houses in den USA kennt, wird im ersten Moment aufgebracht fragen, warum die Minihäuser in Deutschland so teuer sind. Das lässt sich aber laut Madeleine Krenzlin leicht begründen: „Wir haben ganz andere Baustandards in Deutschland als in den USA. Die Fachkraft kostet mehr, die Technik und die Fenster sind hochwertiger. Und was man nicht vergessen darf: In vielen Bundesstaaten der USA ist es auch im Winter so warm, dass die Häuser nicht dicht und gut gedämmt sein müssen.“
Krenzlin hat bemerkt, dass die „Träumer“ unter den Tiny-House-Interessenten in Deutschland weniger geworden sind. Dazu zählt sie nicht nur jene, die denken, dass ein Tiny House eine günstige Angelegenheit ist, sondern vor allem jene, die davon ausgehen, sie können mit dem Tiny House ihren Traum vom Aussteigen verwirklichen. Mittlerweile wüssten die meisten Interessenten, dass sie ihr Tiny House, selbst wenn es auf einem Trailer gebaut ist, nach deutschem Baurecht nicht auf die grüne Wiese oder mitten in den Wald stellen können.